Wir waren an der ersten Ausgabe von «Bright» von Tsüri.ch und Genossenschaft Kalkbreite in der Kulturbar GLEIS im Zollhaus.

Wieviel Platz wir zum Wohnen brauchen, ist eine politische Frage, die unterschiedlich beantwortet werden kann – und wird. Was wir als dicht erleben und ob wir Dichte gut finden oder nicht, hängt davon ab, ob wir sie wählen – oder in Kauf nehmen müssen.

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Zusammen mit der Architektin und Spezialistin für gemeinschaftliche Wohnbauprojekte Claudia Thiesen und dem Autor Hans Widmer aka P.M. (bolo bolo, Neustart Schweiz u.v.m.) debattierten wir auf der kleinen, feinen Bühne der Kulturbar GLEIS über die Frage, wieviel Wohnraum wir brauchen – und ob es auch mit weniger gehen würde.

Wir nutzten die Chance, im ersten Vortrag ein paar grundsätzliche Fragen zu klären. Denn als Soziologinnen stellen wir fest: Wieviel Platz wir zum Wohnen brauchen, ist eine politische Frage, die unterschiedlich beantwortet werden kann – und wird. Aus soziologischer Sicht gibt es darauf keine eindeutige Antwort. Die verschiedenen Befunde sind zeit-, orts- und kulturspezifisch geprägt und nie «neutral».
Genauso verhält es sich mit unseren Eindrücken: Wann ist es in der Stadt dicht, wann eng? Was wir als dicht erleben und ob wir Dichte gut finden oder nicht, hängt davon ab, ob wir sie wählen – oder in Kauf nehmen müssen. Daraus leiten wir ab: Mit Durchschnittsgrössen zu operieren, bringt uns nicht weiter. Denn der durchschnittliche Wohnraumverbrauch von 39m2 pro Person in der Stadt Zürich fühlt sich je nach Lebensform sehr unterschiedlich an. Je grösser ein Haushalt, desto mehr Platz steht uns gefühlt zur Verfügung – je kleiner, desto mehr Raumverbrauch empfinden wir als notwendig.
Daraus könnten wir folgern: Um möglichst wenig Wohnraum zu verbrauchen, brauchen wir grosse Haushalte. Weil wir dann mehr Raum teilen können. In Zürich, wo es aber so viele kleine Haushalte gibt (Anteil Einpersonen-HH in ZH 45% aller HH) besteht ein Rezept in dem, was zum Beispiel die Genossenschaft Kalkbreite macht: mehr Infrastrukturen über die Haushalte hinaus zu teilen. Aber passt das Teilen für alle?

Wir beobachten:
Die meisten, die mit wenig Platz leben, tun das, weil sie müssen, nicht weil sie wollen.
Denn Nachbarschaft und Commoning (das gemeinsame Nutzen, Pflegen und Verwalten von Räumen) ...
... setzen Ressourcen voraus, über die nicht alle gleichermassen verfügen.
... sind in einer dichten Wohnsituation voraussetzungsvoll: Weil es Lust braucht, sich Differenz und Konflikten im sozialen Nahraum auszusetzen. Das gelingt besser, wenn ausreichend Ressourcen – ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital – vorhanden sind und ich mir Neugierde leisten kann.
... passen für Menschen, die sich dafür entscheiden können. Das sind in der Regel Menschen, die sich im progressiven Mittelschichtsmilieu verankern.

Wir folgern:
Nachbarschaft und Commoning ...
... sind dann eine positive Vision, wenn sie die unterschiedliche Ressourcenausstattung berücksichtigen, die mit sozialer Ungleichheit einhergehen.
... können dann funktionieren, wenn sie einen fairen Austausch von Ressourcen begünstigen: Wer weniger hat, bekommt mehr, wer mehr hat, liefert mehr.

Unsere Schlussfolgerung für Degrowth:
Verzicht ist eine Entscheidung, die sich nicht alle leisten können (und wollen)!

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 Rückblick auf den Anlass ...
... bei kalkbreite.net
... bei tsüri.ch

 

sofa*p
Soziologie für Architektur und Planung | Stephanie Hering & Christina Schumacher
Elisabethenstrasse 43, CH-8004 Zürich
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